Die Jahrestagung 2011 hatte das Thema „Zwischen Fürsorge und Teilhabe. Zum Strukturwandel der öffentlichen Angelegenheiten“. Zivile kollektive Akteure kümmern sich in durchaus neuen Organisations- und Aktionsformen um öffentliche Belange, während staatliche Politik verstärkt auf „versagende“ Familienleistung reagiert: Die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem sind Gegenstand politischer Auseinandersetzung und unterliegen gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen. Warum, wie und wohin wandeln sich Grenzziehungen und Interaktion zwischen Staat, Öffentlichkeit und Privatsphäre?
Das Thema wurde in der Sommerakademie unter dem Titel „Legitimation im Wandel“ fortgesetzt. Zur Debatte standen Fragen des Verhältnisses von repräsentativer und partizipativer Demokratie, wie sie durch die jüngeren Entwicklungen in der Bundesrepublik neu aktuell geworden sind. Quer durch die politischen Richtungen wird heute anerkannt, dass Konsens pro-aktiv und partizipativ erarbeitet werden muss. Die Beiträge der drei Panels kreisten um die Frage, wie sich Politik weiter innovativ für Beteiligung öffnen und dabei Glaubwürdigkeit sichern kann. Politisch geht es darum, die Brücken zwischen Repräsentation und politisch vielfältig engagierter Gesellschaft belastbar und leistungsfähig auszubauen. Programmatisch verlangt dies auch eine Verständigung darüber, wie wir die Legitimität und Legitimation neuer Kooperationsverhältnisse zwischen repräsentativen zivilgesellschaftlichen Akteuren und Akteurinnen begründen und mit welchen gesellschaftlichen Zielen wir sie verbinden.
Insbesondere der Beitrag von Hubertus Buchstein (Innovation durch aleatorische Elemente) gab den Anstoß, eine ähnliche Diskussion in Kiel – im Vorfeld der dortigen Landtagswahlen – zu organisieren; sie wird am 28. März 2012 stattfinden unter Beteiligung von Hubertus Buchstein, Tine Stein, Robert Habeck u.a..
Eine Arbeitsgruppe „Politische Theologie“ um Willfried Maier und Otto Kallscheuer diskutierte im März das Thema „Wie viel Absolutheit verträgt und wie viel Absolutheit benötigt die Demokratie?“. In welcher Weise das Thema fortgeführt wird, ist noch nicht entschieden.
Das Seminar „Dem Fortschritt eine Richtung geben“, das als Kooperation mit dem Progressiven Zentrum seit 2010 stattfand, schloss 2011 mit zwei Veranstaltungen ab, die wieder jeweils ein Fachgespräch am Nachmittag und ein anschließendes öffentliches Podiumsgespräch kombinierten: „Welches Wachstum?“ (Februar) und „Sozialstaat der Zukunft“ (19. Mai). Berichte hierzu finden sich auf www.gruene-akademie.de.
Mitberaten durch den AK Demokratie und Parteien kooperiert die Heinrich-Böll-Stiftung mit dem Göttinger Institut für Demokratieforschung in einer qualitativen Studie zu potentiellen Grün-WählerInnen: „Grüner Aufwuchs – Zeitgeist oder Wertewandel?“ Nach ausführlicher Beratung über Anliegen, Konzept und Methodik fand resp. findet diese Interviewstudie in drei Bundesländern statt: Nach Baden-Württemberg (direkt vor der Landtagswahl) und Schleswig-Holstein (September 2011; Wahlen im Mai 2012) steht für April eine dritte Erhebung in Sachsen bevor. Die Ergebnisse der Länderstudien 2011 wurden bei Arbeitstreffen zwischen Wissenschaft und grüner Politik ausführlich beraten. Die Sachsen-Studie ist in der dortigen Landespolitik bereits angekündigt und soll Anfang Juni 2012 im Rahmen eines Fachgesprächs in größerem Rahmen ausgewertet werden. (Der Bericht zu Baden-Württemberg; der Bericht zu Schleswig-Holstein)
Zur spektakulären Landtagswahl in Baden-Württemberg hatte auch eine Auswertung im Rahmen der Programmteam-Reihe “Demokratie heute“ stattgefunden (mit Thorsten Faas/ Uni Mannheim, Ingrid Hönlinger MdB u.a.).
In derselben Reihe diskutierten wir im November mit Prof. Ágnes Heller und Manuel Sarrazin MdB „Am Beispiel Ungarn. Wie kontrolliert die EU ihre Demokratiestandards?“
Unterm Dach des AK Demokratie und Parteien fand schließlich am 14. Dezember das aufgeschobene RoundTable zur Auswertung der Berliner Wahlen statt, bei dem sich u.a. Prof. Joachim Raschke und die politische Geschäftsführerin von B90/Grünen Steffi Lemke der Diskussion stellten.
Der AK Bürgerschaftliches Engagement hatte im Frühjahr das Modul „Change Agents“ der Sommerakademie mit vorbereitet. Nach der Sommerpause diskutierte er aktuelle Studien zur bürgerschaftlichen Inklusion sozial Benachteiligter und beriet das Projekt einer journalistischen Begleitung der baden-württembergischen Politik für eine „neue Kultur der Bürgerbeteiligung“ (Publikation ist zum Jahresende 2012 geplant). Zudem konnte unser Reader „Engagiert“, der das thematische Spektrum des AK zur Diskussion stellt, rechtzeitig zum grünen Parteitag vorgelegt werden; er wird im Frühjahr zu einer Publikation in der hbs-Schriftenreihe ausgebaut. Dieser Reader dient zugleich aus Vorlage für ein Fachgespräch am 23. März 2012, das den Stellenwert von Engagement in der demokratiepolitischen Programmatik herausarbeiten will.
Am 28. Oktober fand das Werkstattgespräch „Energiewende trifft Beteiligung“ statt, das mit über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern – davon sehr viele aus kommunaler und landespolitischer Praxis – ein großer Erfolg war. Der Bedarf war groß, sich konzeptionell zwischen Bundes-, Landes- und Vor-Ort-Praxis sowie beratenden Verbänden (BUND, Direkte Demokratie e.V., Plan B u.a.) zu verständigen und handlungsorientiertes Wissen auszutauschen über den Konflikt zwischen der Forderung nach guter Beteiligung und einer raschen ökologischen Energiewende, die auch zahlreiche Großprojekte verlangt, gegen die sich unweigerlich auch Protest richtet. Zur Debatte gestellt wurden Umbauszenarien ebenso wie der umfängliche Katalog juristischer und verwaltungsseitiger Reformen, der in der Bundestagsfraktion erarbeitet wurde. Best Practice-Beispiele spannten sich vom Know-How der Konfliktreduzierung durch frühe Beteiligung, offene Prüfung der Alternativen und ihrer juristischen Begleitung bis zu Beteiligungs- und Teilhabemodellen durch „Energie in Bürgerhand“.
Der Beirat der Grünen Akademie hatte im Frühjahr das Konzept der Sommertagung beraten und verständigte sich im Oktober und November auf das Thema „Die digitale Gesellschaft“ für die Januar-Jahrestagung.
Ausführlicher debattierte der Beirat in Auswertung der Sommerakademie darüber, dass es wünschenswert wäre, diesem Sommertreffen einen deutlicheren Arbeits- und Diskussionscharakter zu geben, etwa indem vorab versandte Texte zur Diskussion gestellt werden. Außerdem wäre es schön, den TeilnehmerInnenkreis zu beleben. Eine Möglichkeit wäre auch, die Sommerakademie künftig in wechselnden Städten stattfinden zu lassen. Darüber soll die Mitgliederversammlung im Januar befinden.